Einatmen – Sauerstoff rein. Ausatmen – Kohlendioxid raus. So läuft das Tag für Tag beim Menschen und beim Tier ein Leben lang, nahezu vollautomatisch und unbemerkt. Das Atemsystem arbeitet perfekt und es kann Störungen von außen eine ganze Zeit lang kompensieren. Grund genug, sich einmal näher mit der Atmung zu beschäftigen.
Atmung: Aufbau, Funktion und Steuerung
Die Atmung und der Aufbau des Respirationstrakts verläuft bei allen Säugetieren nach demselben Prinzip. Unterschiede gibt es natürlich in der Atemfrequenz, der Luftmenge sowie beim äußeren Erscheinungsbild der einzelnen Atmungsorgane. Wer die Funktionsweise der Atmung versteht, tut sich leichter (auch vorsorglich), mögliche typische Beschwerden rechtzeitig zu erkennen. Obendrein ist die Atmung ein spannendes Thema! Nur wenn jede Zelle mit ausreichend Sauerstoff versorgt wird, können Mensch und Tier ihre volle Leistung abrufen. Egal, ob gerade die Muskelzellen oder die „grauen Zellen“ gefordert werden.
Atmung beim Pferd: Einige Zahlen und Fakten
Ganz entspannt im Ruhezustand atmet ein Pferd 8 – 16 Mal in der Minute ein und aus und bewegt ca. 6 – 8 Liter Luft pro Atemzug. Umgerechnet auf den Tag können das im Schnitt bis zu 70.000 Liter sein. Auch was die Atemfrequenz unter maximaler Anstrengung betrifft, schafft das Pferd bis zu 150 Atemzüge in der Minute. Die Atemfrequenz von kleineren Pferden und Ponys ist aufgrund ihrer kleineren Lungen dementsprechend höher. Ein faszinierendes System!
Zellatmung und Gasaustausch
Und warum das Ganze? Bei der Atmung geht es um die Sauerstoffversorgung und um die Ausleitung von Kohlendioxid (CO²) – die Zellatmung. Nur mit Sauerstoff (O²) kann Energie hergestellt werden, wobei CO² als Abfallprodukt anfällt. Das sauerstoffreiche Blut wird bis in die letzten kleinen Kapillaren transportiert, so dass der Sauerstoff in alle Zellen gelangen kann. Dort nimmt das CO² den umgekehrten Weg in die Kapillare und wandert darauf zum Ausatmen in die Lunge. In der Lunge, genauer in den Alveolen (Lungenbläschen) findet der Gasaustausch statt. Durch Diffusion dringt Sauerstoff aus den Lungenbläschen in die Lungenkapillaren und CO² kommt hinein, um ausgeatmet zu werden.
Wie atmet ein Pferd? Aufbau und Aufgaben der Atemwege und Atmungsorgane
Verfolgen wir einmal einen Atemzug von den Nüstern bis zu den Lungenbläschen. Dabei unterscheidet die Medizin die oberen Atemwege: Nüstern, Maul und Rachen bis zum Kehlkopf und die unteren Atemwege mit Luftröhre, Bronchialsystem und Lungenbläschen.
1. Nüstern
Pferde atmen durch ihre Nüstern ein und ziehen zunächst die kalte, ungefilterte und sauerstoffreiche Luft in die Nasenhöhle. Dort wird die Luft erwärmt, gefiltert und gesäubert. Für das Reinigen sind die feuchten Schleimhäute und die vielen feinen Härchen (Zilien) verantwortlich. Keime, Staub und Schmutz werden Richtung Rachen abtransportiert und dort vom Pferd geschluckt oder abgehustet.
2. Vom Rachen bis zum Kehlkopf
Als nächstes fließt die Luft über den Rachen (Schnittpunkt von Luft und Speise) in die Luftröhre der Pferde. Ihr langer, weicher Gaumen funktioniert dabei wie eine Klappe und mit Hilfe des Kehlkopfes verschließt sich beim Schlucken der Weg zur Luftröhre.
3. Die Luftröhre
Weiter geht´s mit dem Atemzug durch die Luftröhre. Sie ist bis zu einem Meter lang, mit einem Durchmesser von rund fünf Zentimetern. Die Wand der Luftröhre (Trachea) wird durch Knorpelspangen verstärkt, die der Stabilisierung dienen.
4. Bronchialsystem und Lungenbläschen
Im Brustraum angekommen, mündet die Luftröhre in den linken und rechten Lungenflügel, wo sie sich immer weiter verzweigt und dementsprechend verkleinert. Passend dazu ist oft von einem Bronchialbaum die Rede. Irgendwann sind die Ästchen mikroskopisch klein und treffen im eigentlichen Lungengewebe auf die Lungenbläschen. Hier findet dann der beschriebene Gasaustausch statt. Kleine Bläschen (Alveolen) von ca. 0,15 Millimeter liegen wie Trauben an den winzigen Bronchialästchen, während ein feines Netz aus Kapillaren das Ganze umspinnt, um den Sauerstoff aufzunehmen und Kohlendioxid abzugeben.
Beeindruckend: Die vielen Alveolen sorgen für eine riesige Gesamtoberfläche, damit viel Gas gleichzeitig ausgetauscht werden kann. Alle auseinandergeklappt, ergäben sie die Größe eines Fußballfeldes.
5. Das Gewebe der Atemwege
Ein dicht liegender Verband von Zellen wird in der Histologie als Gewebe bezeichnet. Für die Atemwege sind besonders zwei Bereiche interessant: Das Lungenparenchym und das Epithelgewebe. Letzteres kleidet die gesamten Atemwege von der Nase, dem Mund, bis in die Lunge aus. Das Lungenparenchym besteht aus mehreren Gewebearten und ist speziell am Gasaustausch beteiligt.
Unter den Säugetieren besitzen Pferde als Fluchttiere die größten Lungen, dennoch sind diese anfällig für Krankheiten und für typische Atemwegsprobleme (rund 50%). Ein Grund dafür ist, dass in der Lunge die Außenwelt auf das Körperinnere trifft, wobei die Gefahr des Eindringens von Erregern erhöht sein kann – dazu später mehr.
Ein leistungsfähiges Flimmerepithel (oberste Zellschicht vieler Schleimhäute mit Flimmerhärchen) reicht von den Nüstern bis in die Lunge und kann fortwährend dafür sorgen, dass Fremdpartikel zurück nach außen befördert werden. Das sogenannte respiratorische Epithel ist mit winzigen Flimmerhärchen (Zilien) bedeckt und wird durch Becherzellen oberflächlich mit Schleim versorgt. Die Aufgabe der Zilien liegt darin, Schmutzpartikel in den Rachen zu leiten, wo sie dann geschluckt oder abgehustet werden. Dass Pferde nur durch die Nüstern atmen können und die eingeatmete Luft somit zwingend gereinigt wird, ist ein kluger Schachzug der Natur.
In der Lunge selbst gibt es kein Nervengewebe. Schmerzen können erst wahrgenommen werden, wenn die Pleura der Lunge (Lungenfell) in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein weiteres Anzeichen wäre eine verminderte Leistungsfähigkeit. Bei Pferden, die nicht im Leistungssport aktiv sind, wird das jedoch häufig erst ziemlich spät bemerkt.
Wer befiehlt und wer führt aus?
Wer sagt, es ist Zeit zu atmen und wer macht die Arbeit? Dafür ist das Atemzentrum im Gehirnstamm zuständig, welches permanent Informationen über die O² und CO² Verteilung im Blut erhält. Der Draht ist das vegetative Nervensystem. Bei der Informationsübermittlung wird vor allem der CO² Gehalt priorisiert. Ist dieser zu hoch, wird die Atemfrequenz gesteigert. Dieser Vorgang läuft autonom ab, weshalb das Atmen zum Glück nicht vergessen werden kann.
Natürlich werden für die Atmung auch einige Muskeln gebraucht. Das Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskulatur bilden die Atemmuskulatur und werden von der Atemhilfsmuskulatur im Hals-, Brust- und Bauchbereich unterstützt. Das Zwerchfell ist der dominante Atemmuskel, welcher den Brustraum mit der Lunge von den Verdauungsorganen im Bauchbereich trennt. Die Muskeln in diesem Bereich sind alle durch Faszien miteinander verbunden, weshalb Muskelverspannungen auch oftmals das Zwerchfell beeinflussen können. Darüber hinaus können auch typische Verdauungsbeschwerden, nicht passendes Reiterequipment und psychischer Stress die natürliche Funktion des Atemmuskels beeinträchtigen.
Belastungen und Störungen im Atemsystem
Bei Pferden stehen Atemwegsprobleme auf Platz Eins der am häufigsten vorkommenden, inneren Erkrankungen. Daher gehört ein biologisches Grundlagenwissen über das Atemsystem unbedingt zur Pferdehaltung dazu. Wenn eine Erkrankung bereits offensichtlich ist, kann die Therapie recht langwierig werden und oft sind die entstandenen Schäden nicht mehr rückgängig zu machen. Umso wichtiger ist es, schon die ersten Anzeichen von Unregelmäßigkeiten bei der Atmung zu erkennen und dem nachzugehen. Ein kurzer Überblick der häufigsten Atemwegserkrankungen:
Allergien und Überempfindlichkeiten bei Pferden
Allergische Reaktionen sind keine Seltenheit. Häufig kann es infolgedessen zu allergischen Symptomen wie juckenden Nüstern, Ausfluss aus Augen und Nüstern, Hustenanfällen und Problemen beim Atmen kommen. Diese Überreaktionen können unteranderem durch Allergene aus der Natur (Pollen), schädliche Stoffe (im Futter, in der Atemluft), Stauungen bei der Ausscheidung von Giften sowie durch Stressbelastungen verursacht werden.
Zwerchfellblockade
Ist das Zwerchfell dauerhaft angespannt, kann es keine vollen Atemzüge mehr erlauben. Dadurch kann sich die Leistung vermindern sowie die Anfälligkeit für Störungen der Atemwege wachsen. Mögliche Ursachen dafür können beispielsweise ein schlechtsitzender Sattel, Überbelastung, Fehlbelastungen beim Reiten, typische Verdauungsprobleme oder Stress sein.
Entzündung beim Pferd: Nasennebenhöhlen, Kehlkopf oder Bronchen (Bronchitis)
Eine Entzündung kann viele Auslöser haben. Dennoch wird sie meistens durch Viren verursacht. Aber auch Parasiten, Pilze und Bakterien können fieberhafte Erkältungskrankheiten auslösen. In diesem Fall kann eine sofortige Behandlung äußerst empfehlenswert sein, da der vorliegende Entzündungsherd schnellstmöglich gefunden und behandelt werden muss, damit es zu keiner chronischen Bronchitis kommen kann.
COB, COPD, RAO, Dämpfigkeit
COB und COPD können gleichgesetzt werden mit der chronisch obstruktiven Bronchitis, die heute auch als RAO (recurrent airway obstruction, wiederkehrende Atemwegserkrankung) bezeichnet wird. Das Endstadium einer RAO ist Dämpfigkeit, was bedeutet, dass es zu irreversiblen Schäden an der Lunge gekommen (Lungenemphysem) ist.
Tipp: Erkennst Du eine dieser typischen Beschwerden, kann es hilfreich sein, Rücksprache mit dem Tierarzt oder dem Osteopath zu halten, um die Ursachen langfristig zu beheben.
Atemwegsprobleme bei Pferden: Erkennen, pflegen und vorsorgen
Du als Reiter und Besitzer kannst erheblichen Einfluss auf das Wohlergehen der Atemwege Deines Pferdes nehmen. Dazu gehören neben einer guten Beobachtungsgabe und Feingefühl auch das Wissen über eine artgerechte Pferdehaltung und Behandlung.
Typische Symptome können Folgende sein:
- Leistungsminderung
- Gewichtsverlust
- höhere Atemfrequenz
- stark sichtbare Atmung
- Atemgeräusche
- schleimiger Ausfluss aus den Nüstern
- Husten
- häufige Magen- oder Verdauungsprobleme
- erhöhte Körpertemperatur
Wichtig: Sofern Du eines oder mehrere dieser Symptome wahrnimmst, solltest Du schnell handeln. Je früher tierärztlich abgeklärt wird, worin die Ursachen liegen, desto geringer ist das Risiko eines chronischen Verlaufs. Nimm Dir deswegen immer ausreichend Zeit Dein Pferd genau zu beobachten, um optische Veränderungen oder Verhaltensauffälligkeiten wahrzunehmen.
Pflege und Vorsorge
Um einen gesunden Pferdeorganismus zu fördern, haben eine pferdegerechte Haltung und individuelle Fütterung immer oberste Priorität. Um die allgemeine Gesunderhaltung und besonders die intakten Atemwege Deines Pferdes zu unterstützen, kannst Du auf Folgendes achten:
- akute Atemprobleme erkennen und sofort behandeln lassen
- Unterbringung in einem gut belüfteten Stall, Offenstall, Box nach außen, mit Auslauf
- täglich mehrere Stunden an der frischen Luft, Weide, Auslauf
- Achtung auf Reitböden: Sauberkeit? Sandqualität? Nutzung schädlicher Zuschlagstoffe?
- Pferd vor dem Ausmisten und Einstreuen aus dem Stall bzw. der Box führen
- Pferd, wenn möglich, im Freien striegeln und putzen
- Raufutter gegebenenfalls wässern, bedampfen
- Sattel, Zaumzeug: auf richtigen Sitz und passende Einstellung prüfen
- Vermeidung von dauerhaften Stresssituationen
- Stallhygiene: erhöhte Staubbelastung, Schimmelsporen und Ammoniak meiden
- notwendige Impfungen und Wurmkuren nicht vergessen
Unterstützung der Atemwege über Ernährung und Bewegung
Genau wie wir als Menschen immer noch ein wenig mehr für unsere Gesundheit tun können, funktioniert das auch für unsere Tiere. Die erfolgversprechendsten Ansatzmöglichkeiten liegen in der Ernährung und der Bewegung. Dazu gehört die ausgewogene Versorgung mit nutritiven Vitalstoffen wie Mineralien, Spurenelemente und Vitaminen, die individuelle Förderung der intakten Lungenfunktion sowie ausreichende Bewegungsprogramme. Darüber hinaus kann auch die Zugabe von Kräutern als Futterergänzung das allgemeine Wohlbefinden des Pferdes unterstützen.
Intakte Atemwege: Ergänzungsfuttermittel im Bereich der Pferdefütterung
Ein gut funktionierender Stoffwechsel mit einer reibungslosen Ausleitung von unerwünschten Stoffen kann Voraussetzung für ein gesundes Immunsystem sein. Deshalb kann die Zufütterung von Spurenelementen wie z. B. Zink, Mangan und Selen über ein hochwertiges Mineralfutter empfehlenswert sein. Zudem kann Kupfer den Erhalt und die Tätigkeit des Flimmerepithels nährstoffbedingt fördern.
Für eine uneingeschränkte Leistungsfähigkeit, soll der Sauerstoff mühelos in alle Zellen gelangen. Um einen sauerstoffreichen Blutfluss zu gewährleisten, kann die Zugabe von Eisen und B-Vitaminen zusätzlich zum Bewegungsprogramm vorteilhaft sein.
Beliebte und im Bereich der Pferdefütterung bekannte Kräuter, welche die gesunden Atemwege und deren Funktion nutritiv unterstützen können, sind z. B.:
- Thymian
- Spitzwegerich
- Schwarzkümmel
- Fenchelkraut und -samen
- Süßholzwurzel
- Schlüsselblumenblüten
Wichtig: Bevor Du Deinem Pferd Kräuter als Futterergänzung zufütterst, solltest Du Dich mit dem Thema Kräuter in der Pferdefütterung auseinandersetzen oder Rücksprache mit dem Tierarzt halten.